Auch mit Weltmeister André Schürrle reichte es für den VfL Wolfsburg nicht fürs Halbfinale
Wieder einmal ging nach der Winterpause in der Europa League den deutschen Teams die Puste aus. Mit dem VfL Wolfsburg verpasste der letzte deutsche Vertreter gegen Neapel den Sprung unter die letzten Vier. Ein Kunststück, das zuletzt dem Hamburger SV in der Saison 2009/10 geglückt ist - um dann doch das Finale im heimischen Stadion vom Fernseher aus mitansehen zu müssen.
Seit jener Saison schaffte es nur noch ein deutsches Team ins Viertelfinale der Europa League. Der FC Schalke erreichte 2011 als letzter Fahnenträger der Bundesliga den Sprung unter die letzten Acht. In der vergangenen Spielzeit erreichte nicht einmal ein Bundesligist das Sechzehntelfinale.
In der Champions League machten in den letzten Jahren wenigstens Borussia Dortmund, der FC Schalke und natürlich die Bayern der Bundesliga einige Ehre, wenngleich es in dieser Spielzeit in der Königsklasse auch hier etwas kriselte. Doch woran liegt es, dass ausgerechnet in der Europa League, in der zwischen 2006 – 2010 immer mindestens ein deutscher Klub im Halbfinale stand, sich die Bundesliga zuletzt nur mittelmäßig verkaufen konnte?
Ursache: Fehlende Konstanz
Betrachtet man für die Europa League die Bundesliga-Teilnehmer der letzten Jahre, ist nicht von der Hand zu weisen, dass es eine hohe Fluktuation bei den qualifizierten Teams gab. Mainz, Frankfurt, Freiburg, Stuttgart, Leverkusen, Hannover oder zuletzt Mönchengladbach und Wolfsburg - immer wieder überraschen andere Teams mit einer starken Saison. Nicht alle haben die Konstanz, diese Form in der Folgesaison zu bestätigen.
Da gab es peinliche Ausrutscher auf dem Weg in die Gruppenphase, wie sie Mainz und Stuttgart in der jüngsten Vergangenheit erlebten. Oder eben noch eine ordentliche Gruppenphase, dann aber Konstanzverluste in der Liga, die Teams wie Freiburg oder Frankfurt nicht so einfach verpacken konnten. Die Europa League ist zweifelsohne ein internationales Erlebnis, aber im Vergleich zum großen Bruder Champions League kein Geldsegen, um die Kader eines Vereins sicher für die Dreifachbelastung aus Liga, Europacup und Pokal zu rüsten. Setzen Ermüdungserscheinungen oder auch Verletzungssorgen bei den Teilnehmeren ein, fehlt es den deutschen Teams noch an Qualität, das wegstecken zu können.
Ursache: Fehlende Cleverness
Auch in Sachen Cleverness zeigen die Bundesliga-Vertreter auf internationaler Ebene noch Nachholbedarf. So werden Abwehrfehler, wie sie sich in dieser Saison Wolfsburg gegen Everton oder Napoli erlaubte, härter bestraft. Auch Mönchengladbach fehlte das nötige Selbstbewusstsein oder die Kaltschnäuzigkeit, die das Weiterkommen gegen Sevilla kostete.
Zu allem Überfluss scheinen sich Teams aus anderen internationalen Topligen schneller an die härtere Gangart im internationalen Geschäft zu gewöhnen. Wäre in der Bundesliga längst gepfiffen worden, lassen selbst deutsche Schiedsrichter auf europäischem Parkett mehr laufen – die deutschen Teams geraten hingegen ins Stocken und legen Unsicherheit an den Tag.
Die wahren Größen Europas
Sportlich hat zwar die deutschen Nationalmannschaft im letzten Sommer die Spanier an der Weltspitze abgelöst, doch im Klubfußball liegen die Iberer noch klar vorne. Sowohl in der Champions League als auch in der Europa League dominierten die spanischen Teams die vergangenen Jahre. Allein seit 2010 ging die Champions League zweimal nach Spanien, dreimal sogar der Europa-League-Titel. Ein Halbfinale ohne spanische Beteiligung gab es im gleichen Zeitraum nur ein einziges Mal (2012/13).
Die englische Dominanz ging hingegen in den letzten Jahren mit je einem Titel in der Champions League und Europa League deutlich zurück. Finanziell ist die Premier League allerdings noch der Bigplayer im internationalen Business. Erst kürzlich ließen es sich die britischen TV-Anstalten neue Rekordsummen kosten, um sich die Rechte an der populärsten Liga der Welt zu sichern.
Die aktuelle Fünfjahreswertung
Doch Geld allein macht auch nicht glücklich - unter dieser Prämisse ist jedenfalls das aktuelle Abschneiden der englischen Klubs einzuordnen. Kein einziges Premier-League-Team schaffte es dieses Jahr in ein Viertelfinale der beiden europäischen Wettbewerbe. Italien hingegen lebte vor allem in der Europa League wieder auf und zeigte der Bundesliga, dass man sich nicht zu sehr auf den Lorbeeren einer aktuell wohl attraktiveren Liga ausruhen sollte. Die Italiener fahren schon jetzt die beste internationale Saison seit Jahren ein und werde am Ende der Spielzeit wohl auch einen Vorsprung vor der Bundesliga mit ins Ziel nehmen.
Doch aller Kritik und Frustration über das Fehlen deutscher Teams neben den Bayern in einem der europäischen Halbfinals zum Trotz: Die aktuelle Europapokalsaison ist immerhin noch die drittbeste der letzten fünf Jahre! Sollten die Bayern auch weiterhin gewinnen, könnte es sogar die zweitbeste nach der Spielzeit 2012/13 werden. Was die Bundesliga zuletzt auf Europas Bühnen ablieferte, ist also nicht überragend, aber auch nicht unvergleichlich schwach.
Der letzte Feinschliff fehlt
Schaut man noch etwas genauer hin, muss man zunächst festhalten, dass alle deutschen Teams, die in der Gruppenphase starteten, auch die K.o.-Runde erreichten. Mönchengladbach musste dann gegen den amtierenden Titelverteidiger aus Sevilla nur unglücklich die Segel streichen. Wolfsburg räumte in der K.o.-Phase immerhin CL-Absteiger Sporting Lissabon und Inter Mailand aus dem Weg, ehe gegen Neapel Schluss war. In der Champions League machten es Schalke und Leverkusen den beiden Klubs aus Madrid sehr schwer, die Sensation blieb am Ende nur knapp aus.
Alles in allem wäre es daher bereits jetzt nicht völlig unangebracht, wenn die Bundesliga diese Spielzeit als ein durchaus respektables Abschneiden bilanzieren würde. Doch zweifelsohne muss abseits der überragenden Bayern der deutsche Fußball auf internationaler Ebene in Sachen Konstanz und Cleverness zulegen. Womöglich fehlt nur der Feinschliff, um international weitere Titel einzufahren oder in der Europa League wenigstens mal wieder die Runde der letzten Vier zu erreichen. Und wer weiß, vielleicht sorgt dann auch der FC Augsburg mal für Furore in Europa. Vielleicht bedarf es ja nur eines weiteren Teams aus Bayern, um dem deutschen Oberhaus die nächste Motivationsspritze auf dem Weg in die europäische Spitze zu geben.
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