Müller knipst seit Jahren wie kein Zweiter, personifiziert den "Mia san Mia"-Slogan. Trotzdem scheint er für Guardiola entbehrlich. Ein Dilemma für die Bayern.
"Ich bin einer, der nicht gerne verliert", so Thomas Müller. Er hasst es sogar. Spieler wie er, also Vollblutfußballer, sind heutzutage rar gesät. Ihn wurmen Niederlagen, ob beim lockeren Aufgalopp, oder im Champions-League-Halbfinale. Er lässt sie an sich ran und nimmt sie bisweilen persönlich. Da kann es schon passieren, dass er im Training mit dem Vorgesetzten aneinander gerät. Wie offenbar am Montagabend.
Genervt hatte Pep Guardiola eine Übung unterbrochen, berichtet die Bild. Müller, Arjen Robben und Sinan Kurt sollten auf einem kleinen Feld den Angriff schnell verlagern. Nicht zur Zufriedenheit des spanischen Perfektionisten. Er kritisierte das Tempo, die Präzision – und Müller. Wild gestikulierend habe er auf ihn eingeredet, sich auf Spanisch schimpfend umgedreht und einen Ball weggedroschen. Der Gescholtene fauchte demzufolge zurück: "Dann kann ich es ja bleiben lassen und reingehen." Wenig später kam die Einsicht.
Auch das ist Müller, ein Dickkopf, mit dem in der Hitze des Gefechts mal die Emotionen durchgehen, der sich gleichwohl Fehler eingestehen kann. In nunmehr sechs Jahren beim FC Bayern lernte er, die Begebenheiten zu nehmen, wie sie sind. Louis van Gaal, einst sein großer Erfinder, erteilte ihm eine Stammplatzgarantie ("Müller spielt immer"). Jupp Heynckes pushte ihn zur Saison seines Lebens mit Triple-Vollendung. Nur mit Guardiolas Philosophie mag er nicht recht warm werden. Immerhin ist er quasi die Anti-These dazu.
Droht Müller die Ersatzbank?
Müllers Bewegungen wirken hölzern. Die Laufwege sind unorthodox, seine Ballbehandlung wenig filigran, oder wie er sagt "komisch". Genau das aber macht ihn aus und unberechenbar für die besten Abwehrreihen. In seinem Werkzeugkasten verfügt er über Killerinstinkt und diesen tödlichen Pass, ebenso über Stockfehler. Letzteres vermag er dank seines Pragmatismus zu kaschieren. Geht es nicht schön, geht es anders. Fraglich bleibt, ob für einen Improvisationskünstler Platz ist im Pep'schen System-Fußball.
22 Mal schickte ihn Guardiola vergangene Saison frühzeitig unter die Dusche. Mitunter im Halbfinale der Champions League in Barcelona – beim Stand von 0:1. Müller motzte erbost gen Trainer, eine Lippenleserin will die Frage "Kann diese Scheiße aufhören?" erspäht haben. Ob er die Auswechslungen meinte, ist nicht überliefert. "Jeder weiß, dass ich lieber weitergespielt hätte", gestand Müller nach dem 0:3. Ihn störte bereits 2013/14, in richtungsweisenden Partien oft die zweite oder dritte Geige sein zu müssen.
Eine Situation, die jedoch bald wieder drohen könnte. Mit Douglas Costa holte Bayern einen universell einsetzbaren Offensivkünstler. Er wird das Gedränge in der Offensive schüren, vor allem wenn Robben und Franck Ribery fit sind. Müller wäre der Leidtragende. Ihn sieht Guardiola ohnehin eher im Angriff, bloß dort ist man mit Robert Lewandowski bestens bestückt. Eine Position dahinter lauern Thiago und Mario Götze.
Gerüchte trotz überragender Werte
Statistisch gesehen überragt der 25-Jährige all seine Konkurrenten: In zwei Spielzeiten verbuchte er herausragende 80 Scorerpunkte. Darüber hinaus ist er das "Aushängeschild des Klubs", so Matthias Sammer, und eine Säule im Erfolgsmodell aus Legionären sowie Eigengewächsen. Rund 60 Kilometer fern von München, in Weilheim, aufgewachsen, steht er für Regionalität. Er dient als oberbayrisches Unikat, als Identifikationsfigur in einer lukrativen Glitzerwelt.
Dass sich Gerüchte über einen Abgang hartnäckig halten, wirkt absurd, offenbart allerdings, dass er für Guardiola entbehrlich scheint. Zwar darf man das Wortgefecht nicht überinterpretieren, trotzdem orakelteSport1 am Tag danach neuerlich über einen Abschied. Manchester United soll bereit sein, 82 Millionen Euro auf den Tisch zu blättern. Zuletzt erklärte Müller, dessen Vertrag bis 2019 läuft: "Wenn eine Anfrage kommt, beschäftigt man sich automatisch damit. Eine Anfrage eines großen Klubs ist eine Ehre und eine Honorierung, dass die eigene Leistung gut ist."
Mehr, betonte er, gäbe es nicht zu sagen. Ein Dementi klingt anders, ein Abgang käme gleichwohl sehr überraschend. Zu wertvoll ist er für den Rekordmeister. Zu groß sind seine Qualitäten - das weiß Guardiola. Klar ist dennoch: Müller möchte spielen. Van Gaal, jetzt Coach bei United, erteilte ihm dazumal eine Einsatzgarantie. Was ein Vollblutfußballer nämlich noch mehr hasst, als zu verlieren, ist, auf der Bank zu schmoren.
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