sexta-feira, 30 de janeiro de 2015

BUNDESLIGA


  


  


Wie Schiedsrichter verpfiffen werden

Wer auch in der Rückrunde über Schiris schimpft, übersieht: Sie werden schlecht geführt. Ihre Chefs fördern Günstlinge und fordern Gehorsam. Fehlentscheidungen nehmen zu

Der deutsche Schiedsrichter Florian Meyer

Stirn an Stirn stand Dieter Pauly mit Toni Schumacher am Strafraum, dann schickte er den berühmten Tormann zurück in seinen Kasten. Das Bild war das Sportfoto des Jahres 1981. Es zeigt einen Schiedsrichter mit Mut und Ausstrahlung. Der beste deutsche Schiedsrichter der späten Achtziger bekam sogar ein eigenes Abschiedsspiel.
Fragt man den 72-jährigen Pauly heute, was für seine Leistungen am wichtigsten war, sagt er: "Als Schiedsrichter brauchst du klare Vorgaben." Fragt man ihn nach den Momenten nach einem schweren Spiel mit falschen Pfiffen: "Dann saß ich oft einsam in der Kabine und wünschte mir, dass mich jemand in den Arm nimmt und sagt: Haste gut gemacht!"

Schiedsrichter sind wichtig, doch haben den undankbarsten Job im Fußball. Sie fallen nur auf, wenn sie Fehler machen. Ihre Leistung hängt jedoch von vielen Dingen ab, auch von Faktoren außerhalb des Spielfelds. Etwa von ihren Chefs. In Deutschland sind das Herbert Fandel, der Vorsitzende der DFB-Schiedsrichterkommission. Und Hellmut Krug, der Berater für Schiedsrichter der DFL.
Es gibt erhebliche Zweifel, ob die beiden Ex-Schiris die richtigen für diesen Job sind. Man hört schwere Vorwürfe, zum Beispiel aus DFB-Kreisen. Das Schiedsrichterwesen sei von Gehorsam und Günstlingswirtschaft geprägt. Fandel und Krug beförderten nach Sympathie, hätten kein Mitgefühl, sicherten ihre Macht, indem sie Schiris zu Duckmäusern machten, und verwirrten sie und alle anderen mit fraglichen Regelauslegungen.
Die Folge ist dieselbe wie in jedem Unternehmen, das schlecht geführt wird. Das Klima wird rauer, Mitarbeiter fühlen sich ungerecht behandelt, Leistungen sinken. Kurz: Die deutschen Schiris werden langsam schlechter.
Über Schiedsrichterführung spricht man am besten mit Volker Roth. Er pfiff das Eröffnungsspiel der EM 1984, später war er lange Schiedsrichterchef in Deutschland und Vorsitzender der Kommissionen der Uefa und der Fifa. Heute, etwa fünf Jahre nach seinem Ausscheiden, sitzt er in einem Restaurant in seiner Heimat Salzgitter. Roth sagt über seine frühere Aufgabe: "Ein Schiedsrichter braucht Unterstützung, weil er sie von Zuschauern und Vereinen naturgemäß nicht bekommt. Denn ein Schiedsrichter macht immer Fehler."
Wenn seine Schiedsrichter mal wieder einen Spieler zu Unrecht vom Platz gestellt hatten, erhielt Roth böse Briefe von Managern und Präsidenten. Er schmiss sie immer weg. Kritik an seinen Leuten ließ er nicht zu, das durften nur er und seine Mitarbeiter. Darüber meckerten zwar die Vereine und Journalisten. Aber seine Zöglinge fühlten sich beschützt. Roth konnte hart sein, hatte aber eine väterliche Art.
Über seine Nachfolger Fandel und Krug, die ihm internationale Schiedsrichterkarrieren zu verdanken haben, will sich Roth nicht öffentlich äußern. So viel sagt er aber dann doch: "Die Ignoranz, mit der mit menschlichen Schicksalen umgegangen wird, ist bemerkenswert."

Keine Lehren aus dem Fall Rafati

Vor gut drei Jahren hatte der damalige Bundesliga-Schiedsrichter Babak Rafati am Morgen vor einem Spiel einen Suizidversuch begangen. In einem Buch erhob er später schwere Vorwürfe gegen Fandel und Krug, er sei von ihnen gemobbt worden. Darin schildert er die Vorfälle so: Rafati machte Fehler. Fandel ließ nie ein gutes Haar an ihm, sagte Rafatis Schilderungen zufolge immer wieder: "Alle dürfen Fehler machen, nur du nicht, Babak!" Daraufhin machte Rafati noch mehr Fehler.
Als Demütigung empfand Rafati, dass er, obwohl Fifa-Schiedsrichter, als Vierter Offizieller eingesetzt wurde, also als Mann, der bei Auswechslungen die Tafel hochhält. Als Fandel noch pfiff, hatte er sich gegen diese Nebenrolle immer gesträubt. Rafati mag nicht der beste Schiedsrichter gewesen sein, doch von seiner Absetzung als Fifa-Schiedsrichter informierte ihn Fandel nicht mal persönlich. Fazit des Buchs: Die Buhrufe von Zehntausenden und die "Babak Tomati"-Schlagzeilen konnte Rafati ertragen. Von seinen Vorgesetzten fallen gelassen zu werden nicht.
Krug und Fandel bestritten Rafatis Vorwürfe. Vier bekannte Schiedsrichter nahmen auf der Website des DFB ihre Chefs in Schutz. Doch was Roth und andere noch heute erschüttert: wie unsensibel Krug und Fandel auf Rafatis Suizidversuch reagierten.
Rafatis Assistenten hatten ihn regungslos im Hotelzimmer gefunden. Doch nur wenige Stunden später baten ihre Chefs sie, ins Stadion zu fahren. Man werde einen Ersatzschiedsrichter suchen, sagte Krug, der zu dem Spiel als Beobachter eingeteilt war. Menschen, die unter schwerem Schock standen, sollten Abseits und Einwurf winken. Sie lehnten ab. Und als ein paar Tage später eine außerordentliche Telefonkonferenz mit allen Schiedsrichtern und Assistenten anberaumt wurde, plauderte Krug erst mal über Golf.
Wenn ein Mensch sich das Leben nehmen will, wirft das viele Fragen auf, zumal wenn er seine Vorgesetzten beschuldigt. Doch Fandel und Krug scheinen kaum Konsequenzen aus dem Fall gezogen zu haben. Die Schiedsrichterkommission hat zwar Maßnahmen eingeführt, das sportpsychologische Coaching etwa, es wird von einigen Schiedsrichtern angenommen. Doch dem Ombudsmann, dem sich Schiedsrichter in Problemfällen seitdem anvertrauen können, begegnen sie mit Skepsis. Er unterliegt keiner Schweigepflicht, ist zudem Aufsichtsrat eines Zweitliga-Vereins. Viele Schiedsrichter fürchten, dass er Vertrauliches an die Chefs weiterreichen würde.
Ihren Führungsstil haben Fandel und Krug offenbar nicht geändert. Das sieht man daran, wie sie die Schiedsrichter bewerten. Die internen Noten bestimmen über Auf- und Abstieg. Eine 8,9 ist herausragend, eine 8,6 sehr gut, unter 8 wird’s eng. Erstellt werden sie von den Schiedsrichterbeobachtern, oft Altehrwürdigen wie Pauly. Beobachter begleiten die Schieds- und Linienrichter ins Stadion, trösten, betreuen und bewerten sie.

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