EM 2016: Paul Pogba zeigt beim Remis zwischen Frankreich und der Schweiz endlich, was er kann, und der Gastgeber spielt erstmals so ähnlich wie ein Titelfavorit. Auch die Schweiz steigert sich, im Achtelfinale könnte nun Deutschland warten. Albanien darf auf die Runde der letzten 16 hoffen, schon jetzt hat sich Armando Sadiku verewigt - und dabei gezeigt, worum es im Fußball doch eigentlich geht.
1. Pogba mit überzeugenden Aktionen im Radius
Superstar sollte er sein, wie Michel Platini 1984 und Zinédine Zidane 1998. Für Paul Pogba aber lief's bei den ersten beiden Turnierspielen durchwachsen. Nach mäßiger Leistung landete er auf der Bank, angeblich auch aufgrund einer Disziplinlosigkeit ("Badelatschen-Affäre"), zu allem Übel wurde ihm eine Geste als vulgäre Beleidigung ausgelegt. Pogba wehrte sich: erst verbal und dann sportlich, beim 0:0 gegen die Schweiz.
"Er hat Lust, er hat Bock heute", konstatierte ZDF-Experte Oliver Kahn zur Halbzeit. Da hatte Pogba schon viermal aufs Tor gezirkelt, dabei zweimal die Latte getroffen (12./17.) und einmal Keeper Yann Sommer (13.). Der 23-Jährige wollte sich beweisen, eindeutig, Aktionsradius und die Aktionen in diesem Radius überzeugten. In Hälfte zwei ließ der Offensivdrang nach, brillant war die Vorlage für Antonie Griezmann (57.). Am Ende wies die Statistik 73 Ballaktionen, 21 Zweikämpfe (43 Prozent gewonnen), je vier Tacklings und klärende Aktionen sowie zwei abgefangen Bälle aus. Bossig.
2. Frankreich endlich wie ein Titelkandidat
Nach dem 2:1 über Rumänien und dem 2:0 gegen Albanien stand Frankreich bereits vor Anpfiff im Achtelfinale. Nationaltrainer Didier Deschamps mischte durch, seine Elf begann ohne Blaise Matuidi, Olivier Giroud, N’Golo Kanté,Anthony Martial und Dimitri Payet, der nach 63 Minuten für den eher unauffälligen Kingsley Coman kam. Später durfte auch Matuidi ran.
Und Frankreich trat endlich wie ein Titelanwärter auf, gegen ein Schweizer Team, das seinerseits die wohl beste Turnierleistung zeigte. Dreimal musste freilich die Latte retten (Pogba - siehe oben - und Payet/76.), die "Equipe tricolore" präsentierte sich frischer, dominanter, elanvoller als bisher - hat aber weiterhin Steigerungsmöglichkeiten. "Ich bin nicht blind, wir können noch besser spielen", weiß Deschamps. In der Runde der letzten 16 wartet nun einGruppendritter.
3. Schweiz wird forscher - auf und neben dem Platz
Zum unterhaltsamen Kick trug die Schweiz ihren Teil bei, besonders nach dem Seitenwechsel spielten die "Eidgenossen" auf Sieg. Der Punkt reichte, um die erste Etappe erfolgreich zu bestreiten, ungeschlagen zudem. "Das Achtelfinale war unser großes Ziel", strahlte Sommer, und Trainer Vladimir Petkovic wagte so etwas wie eine zackige Ansage:
"Wir warten ab, gegen wen wir spielen. Wir werden bereit sein. Wir können mit starken Gegnern mithalten."
Übrigens: Sollte Deutschland ebenfalls Zweiter werden, wartet das Duell gegen die Schweiz. Hätte doch was...
4. Worum es im Fußball gehen sollte
Armando Sadiku rannte dann mal los. Als wäre er vom Katapult beschleunigt, sprintete er wie von Sinnen, keiner konnte ihn stoppen auf seinem Jubellauf, Sadiku wurde nicht langsamer, sondern immer schneller, und er hörte erst auf zu rennen, als er vor der Auswechselbank der Albaner angelangt war und enthemmt auf Knien entlangrutschte. Welch Erlebnis!
Sadiku war soeben nicht der entscheidende Treffer im WM-Finale gelungen, aber das erste, wirklich allererste Tor Albaniens bei einer Europameisterschaft. Die 43. Minute dieses dritten Vorrundenspiels gegen Rumänien wird eine Zäsur bleiben, Sadiku (25, FC Lugano) ist der Geschichten-Macher. 1:0, der Sieg, vier Punkte, Achtelfinal-Chance. Die brutale Begeisterung illustrierte die Bedeutung. Genau darum geht's doch im Fußball.
5. Mammut-Turnier provoziert leere Ränge
Die Aufblähung des EM-Teilnehmerfeldes auf 24 Nationen verschiebt so manche Gewohnheit. Auch beim Erscheinungsbild. In der Vorrunde waren nicht alle Partien ausverkauft, am Markantesten bei Rumänien gegen Albanien zu sehen: Das Stadion in Lyon fasst 58.000 Plätze, mindestens 8000 waren wohl nicht besetzt. Die UEFA muss eingestehen, dass sein Mammut-Turnier nicht den vollen (kommerziellen) Erfolg liefert.
Artikel vonJohannes Mittermeier
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