quarta-feira, 13 de janeiro de 2016

90 Minuten Freiheit: Die Knastkicker in "Santa Fu"


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von Andreas Bellinger, Anne Strauch und Boris Poscharsky

Eintracht Fuhlsbüttel hat nur Heimspiele. Die Knastkicker von Trainer Gerd Mewes spielen in der untersten Kreisklasse - und sind dort eine Klasse für sich. 149 Tore haben die "schweren Jungs" in ihrer besten Saison geschossen. Dem Sportclub verrät der 71-jährige Mewes, warum er nach 35 Jahren in "Santa Fu" nicht müde wird, Trainer von Mördern, Räubern und Terroristen zu sein.
Schmuddelwetter beim Lokaltermin. Passend zum Ambiente: trist, nass und ungemütlich. Der Grandplatz hinter hohen Mauern und Stacheldraht steht zur Hälfte unter Wasser. Fußball spielen? Wohl eher ist es ein Sonntagmorgen, an dem man sich noch mal im Bett rumdreht. Nirgends sonst würde ein Schiedsrichter auf diesem knöcheltiefen roten Sand wohl ein Punktspiel anpfeifen. Hier schon, im Hochsicherheitsgefängnis von "Santa Fu". Schließlich ist es in der JVA Hamburg-Fuhlsbüttel der Höhepunkt der Woche: diese Partie der untersten Kreisklasse gegen die 3. Herrenmannschaft des Barsbütteler SV. 90 Minuten Freiheit darf kein Schmuddelwetter vermasseln.

Alles gute Jungs?

"Ohne Sport ist scheiße hier drinnen", sagt einer der Knast-Sportler. Die Spieler von Trainer Gerd Mewes denken so: "Wir leben von Mittwoch bis Sonntag - Mittwoch ist Training und Sonntag ist Spiel." Seit 35 Jahren betreut Mewes Eintracht Fuhlsbüttel. Auf sein Team hält er große Stücke. "Es hat eine ganze Reihe von Spielern gegeben, die ich mochte und eine ganze Reihe, die ich nicht mochte. Sie kommen und gehen und sind sympathisch wie im richtigen Leben." Ein Spieler des Barsbütteler SV sagt: "Das sind alles gute Jungs." Alles gute Jungs? Darüber lässt sich bestimmt streiten.

Dealer, Mörder und ein Terrorist im Team


Coach Gerd Mewes beim Training der Eintracht Fuhlsbüttel © NDR
Trainer Gerd Mewes ist seit 35 Jahren Trainer von Eintracht Fuhlsbüttel. Ans Aufhören denkt der 71-Jährige noch lange nicht.
Das weiß auch Mewes, der schon Drogendealer, Mörder und sogar einen Terroristen im Team hatte. Mounir al-Motassadeq heißt der im Zusammenhang mit dem Anschlag vom 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York Verurteilte. "Er hat sich vom Fußball wieder entfernt und abgesondert", erzählt Mewes. Die grauenvollen Bilder des Anschlags hat der 71-Jährige oft vor Augen. Und doch sagt er über seinen ehemaligen Spieler: "Mir gegenüber war er immer höflich, zuvorkommend, nett." Wer das nicht ist im Team von Eintracht Fuhlsbüttel, ist die längste Zeit dabei gewesen. "Die Teilnahme an den Spielen hängt davon ab, wie der Gefangene sich im Vollzug verhält", erklärt JVA-Leiter Lars Röhrig. "Wenn einer gegen die Regeln verstößt, kann er am Fußballspiel nicht teilnehmen." Gegen Barsbüttel traf der Bannstrahl den Torhüter. Warum? Das weiß nicht einmal der Coach. Er würde es aber auch nicht sagen.



90 Minuten Freiheit: Die Knastkicker in "Santa Fu"

von Andreas Bellinger, Anne Strauch und Boris Poscharsky

Dass der etatmäßige Keeper nicht dabei war, fiel gegen Barsbüttel nicht sonderlich ins Gewicht. Die Gastgeber, die immer Heimrecht haben, landeten einen ungefährdeten Kantersieg. Am Ende wurde ein 15:1 für die Knastkicker protokolliert. Selbstvertrauen inklusive. Überheblichkeit oder gar arrogantes Gehabe lässt Mewes seinen Spielern nicht durchgehen. "Ich möchte keine Zirkusnummer, das kann ich nicht zulassen. Seid fair zum Gegner." Gegen einen Flick-Flack als Torjubel oder einen Salto à la Miro Klose hat er freilich nichts einzuwenden.

"Schwere Jungs" schüchtern manchen ein


Zellengang in der Strafvollzugsanstalt Fuhlsbüttel © NDR
Fußball ist Abwechslung im Knastalltag und ein probates Mittel bei der Resozialisierung.
Als einer der "Santa Fu"-Torschützen durch die Luft wirbelt, staunen die Spieler aus Barsbüttel nicht schlecht. Der eine oder andere fühlt sich sogar ein bisschen eingeschüchtert von den "schweren Jungs". "Man hat schon manchmal Angst, andere zu foulen", sagt einer. Aber nicht allen geht es so: "Wenn man auf dem Feld steht, ist es hier im Knast ein Spiel wie jedes andere draußen auch", findet ein Mitspieler. Fast jedenfalls. Dass es doch ganz anders ist, merken die Gäste schon bei ihrer Ankunft. Ausweise vorlegen, Taschen leeren und alles, was nur im Entferntesten gefährlich werden könnte, wird von den Beamten eingesammelt. "Die Kontrollen sind schon heftiger als am Flughafen. Da bekommt man ein mulmiges Gefühl", sagt BSV-Trainer Haydar Saglam und ist am Ende des Vormittags froh, dass "wir nach Hause fahren und unser Leben weiterleben können". 

Manchmal staunt sogar Trainer Mewes

Ins Staunen gerät auch Mewes bisweilen, wenn seine Spieler ins Plaudern kommen. "Dann erzählen sie mir Dinge, die ich nur aus Filmen oder Zeitungen kenne. Wie einem Bankräuber zumute ist, wenn er eine Geisel nimmt. Wie er sich dann fühlt." Er will diese Geschichten nicht allzu nah an sich heranlassen. "Ich nehme die Dinge ernst, die mir erzählt werden, aber nicht in meine Gefühlswelt auf." Mewes hat durchaus Verständnis für die Sorgen und Nöte all jener, die nach einem Weg zurück in die Normalität suchen: "Manch einer hat in seinem Leben sicherlich mehr Niederlagen hinnehmen müssen, als ich es wahrscheinlich jemals tun muss." Seine Arbeit hilft, die Guten unter den bösen Jungs auf das Leben jenseits der hohen Mauern und des Stacheldrahts vorzubereiten. Für mehr als 90 Minuten Freiheit.


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