Spöttl: Es gibt immer noch falsche Versprechungen für Arbeitsmigranten. In deren Heimatländern, wie zum Beispiel
Bangladesch,
Nepal oder
Indien, kassieren Arbeitsagenturen weiterhin Vermittlungsgebühren, für die sich viele Arbeitsmigranten hoch verschulden, noch bevor sie überhaupt angefangen haben zu arbeiten. In Katar sind die Lohnzahlungen immer noch verzögert, Pässe werden nach wie vor einbehalten. Da hat sich herzlich wenig getan. Und Katar wendet weiterhin die
Todesstrafe an, was
Amnesty International grundsätzlich verurteilt, in jedem Land.
SPIEGEL ONLINE: Sollten die Münchner dann nicht hinfahren?
Spöttl: Doch, die Bayern können nach Katar fahren. Amnesty ruft nicht zu Boykotts von Trainingslagern in diesen Ländern auf. Aber der FC Bayern sollte unbedingt auch hinter die Kulissen blicken. Und auch mal nachfragen, wann die Bedingungen endlich besser werden.
SPIEGEL ONLINE: Bayerns Kapitän
Philipp Lahm sagt, die Mannschaft beschäftige sich mit dem, "was in Katar los ist". Man werde "die Augen nicht zumachen". Ist es überhaupt realistisch, dass die Bayern irgendetwas zu sehen bekommen?
Spöttl: Wenn man sich bemüht und mit Arbeitern spricht, dann geht das durchaus. Die Spieler werden ja auch Freizeit haben und sich frei bewegen können. Die sollen ruhig mal nachklopfen. Wer will, der sieht auch. Ich würde mir sehr wünschen, dass Lahms Aussage auch Wirklichkeit wird.
SPIEGEL ONLINE: Und dann? Was würde sich denn ändern? Bayern-Boss
Karl-Heinz Rummenigge sagt: "Ein Trainingslager ist keine politische Äußerung. Niemand sollte Dinge vermischen, die nicht zusammengehören." Kann man das so klar trennen?
Spöttl: Nein, auf keinen Fall! Sport war immer schon politisch. Und deshalb ist es umso wichtiger, dass sich der FC Bayern auch direkt an die katarische Regierung wendet und fordert, dass die Situation vor Ort besser wird.
SPIEGEL ONLINE: Die Bayern begründen den Schritt vor allem mit den guten Bedingungen vor Ort. Man habe "die beste Trainingsanlage im Weltfußball", sagt Rummenigge, zudem ein ideales Klima und quasi keinen Zeitunterschied. Kann man angesichts der Menschenrechtsverletzungen diese Argumente gelten lassen?
Spöttl: Diese Überlegungen sind nachvollziehbar. Aber man muss sich einmischen, die Spieler, der Klub, die Sponsoren. Denn die Arbeitsmigranten, die ja auch die Stätten für die WM in 2022 bauen, werden nach wie vor ausgebeutet.
SPIEGEL ONLINE: Der FC Bayern komme "immer mit der Botschaft von Integration und freier Lebensgestaltung", sagt Rummenigge. Und Lahm fragt: "Was ist besser? Man bleibt einfach zu Hause. Oder fährt man hin und spricht darüber?" Werden solche Botschaften von den Machthabern überhaupt wahrgenommen?
Spöttl: Ich denke schon. Die Katarer wollen ja auch vor der Weltöffentlichkeit gut da stehen. Wenn man nicht aufhört, die Menschenrechtsverletzungen anzuprangern, dann kann man etwas erreichen. Es ist ganz wichtig, dass die Fußballer, die ja bei der WM auch unmittelbar davon betroffen sein werden, das zu einem Thema machen und sich für die Ausgebeuteten stark machen - und nicht nur Politiker oder Amnesty. Sie können dazu beitragen, dass die Missstände noch bekannter werden.
SPIEGEL ONLINE: Auch im vergangenen Jahr waren die Bayern
in Katar unterwegs. Damals besuchten die Bayern zudem ein Testspiel in Saudi Arabien, während dieser Zeit
wurde der Blogger Raif Badawi zu 1000 Peitschenhieben verurteilt. Bayern-Boss Rummenigge räumte zwar Fehler ein, doch er wies auch darauf hin, dass in vielen Ländern gegen Menschenrechte verstoßen werde. "Unter anderem bei einem Verbündeten, den USA. Ich sage nur Guantánamo oder Todesstrafe." Ist dieser Vergleich zulässig?
Spöttl: Uns werden solche Vergleiche auch immer wieder vorgehalten. Gerade die Todesstrafe in den USA bringt uns bei Debatten immer ins Hintertreffen. Doch die Tatsache, dass die USA gegen die Menschenrechte verstoßen, ist kein Freifahrtschein für Länder wie Katar oder Saudi-Arabien, selbst Menschenrechtsverletzungen zu begehen, und sollte auch nicht als Ausrede dafür herhalten, Menschenrechtsverletzungen gar nicht anzusprechen.
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